von Elsbeth Pulver / 2005:
«[…] Nie mehr also – werde ich die Stufen zur Winkelwiese 6 hinaufsteigen – nein, eben nicht sofort hinaufsteigen. Denn noch ehe ich jeweils die unterste Stufe betrat, öffnete sich das Küchenfenster zur Linken der Treppe (durch das früher wohl die Köchin die Post der Herrschaft entgegennahm), und Laure hiess mich willkommen mit jener überwältigenden Herzlichkeit, die ich so nur bei ihr erlebt habe. Dass sie mit der gleichen Herzlichkeit auch andere, vielleicht die meisten ihrer Besucher begrüsste, hat mich nie gestört, es war in Laure genug Herzlichkeit vorhanden für viele und gegensätzliche Menschen.
[…] Sie hatte ja überhaupt eine Neigung zum Königlichen. Sie, Laure Wyss? Ausgerechnet sie? Die Feministin avant la lettre, die Anwältin der Randständigen, der Zukurzgekommenen, der ewigen Underdogs, der Strafgefangenen, der Fremden unter uns? Ja sie, ausgerechnet sie!
[…] Sprache blieb für sie zeitlebens, ach in harmloseren Zeiten, eine Macht, ein Ganzes, nicht beschränkt auf die Literatur, unteilbar und in der Substanz unangreifbar. Die Zweifel, die auch bei ihr immer wieder das Schreiben tangierten und hemmten, betrafen nur sie selbst und nicht die Sprache.»