Laure Wyssvon Nikolaus Wyss / 09.01.13: Ferndiagnosen (1). Meine Mutter war nach gängigem Schweizer Massstab unterversichert. Pension und AHV genügten im Alter nicht für ein geruhsames Alltagsleben in gewohnter Umgebung. Für eine anständige Pflege oder für einen allfälligen Spital- oder Kuraufenthalt hätte das Geld schon gar nicht gereicht. Dieses Malaise führte dazu, dass sie nach ihvrer Pensionierung in Sachen Einkünfte eine gewisse Impertinenz an den Tag legte und Buchhändlern, Bibliothekaren und Frauenkränzchen mit ihren Honorarforderungen für Lesungen wohl mächtig auf den Keks gehen konnte. Mit diesen Einkünften und mit ihren Büchern, Ehrungen und anderweitigen Unterstützungen, Zuwendungen und Förderungen konnte sie sich aber bis ins hohe Alter immer auf der sicheren Seite wissen.

Beim Durchpflügen ihrer Briefe stosse ich immer wieder auf Bemerkungen, die nahelegen, dass sie sich aber noch eines ganz anderen Versicherungssystems bediente. Dieses bestärkte sie im Glauben, trotz Unterdeckung gut über die Runden zu kommen. So konsultierte sie zum Beispiel verschiedentlich die Tochter von C.G. Jung, Gret Baumann-Jung, und liess sich von ihr Aspekte und Einflüsse ihres Horoskops erklären. Und sie beschäftigte im Laufe ihres Lebens nicht wenige Fernheiler, Handaufleger und das eine oder andere Medium, die wegen ihrer feinstofflichen Talente und ihres direkten Zugangs zur Totenwelt Prognosen über den weiteren Verlauf ihres Lebens stellen konnten. In mütterlicher Sorge schloss sie mich immer in ihre Fragen mit ein.

In einem Brief, den sie mir 1971 nach Lima, Peru, schickte, schrieb sie: „Ich verfolge mit guten Gedanken, Vergrösserungsglas und Eifer Deine Unternehmungen. Seit kürzlich auch ein wenig mit Herzklopfen, klar, TV und Radio und Tagi melden nichts als schreckliche Verschüttungen und Ueberschwemmungen und Unglücke aus Peru. Ich griff heute deshalb wieder einmal zu den Sternen, dh. ich las die Notizen, die ich einmal zu Deinem Horoskop gemacht hatte, da sind die Aspekte derart gut, so gut und beruhigend wie Deine Briefe, sodass ich alle Unruhe begrabe…“