Nachfolgend eine Auswahl an Radiobeiträgen von Laure Wyss.
Regionaljournal 7.7.1987, Züri im Gspröch
«Züri isch nüm das, wo’s mal gsi isch» – erklärt Laure Wyss als eine von acht Schriftstellern und Schriftstellerinnen, die vom Regionaljournal gefragt wurden, was sie über Zürich denken, was sie stört, was sie freut. Durch die Heirat wurde Laure Wyss zur Zürcherin – das fand sie gut, denn Zürich war ein guter Ort, der Unterdrückte förderte. Doch in den Achtzigern sieht Laure Wyss eine Änderung in der Haltung der Mächtigen: «Sie lügen uns an, sie missachten, sind hämisch geworden. Sie haben jetzt Wasserwerfer und Gummigeschosse und die Polizei, die immer recht bekommt.» An der Behauptung, nicht angepasste junge Menschen seien alles Kriminelle, stört sich Laure Wyss zur Zeit der 80er Unruhen ganz besonders.
Widerworte, 19.10.1988, Das rote Biel 1919 – 1939
«Immer dann, wenn von meiner Vater-, meiner Mutterstadt Biel die Rede ist, komme ich heute ins Schwärmen», sagt Laure Wyss. Doch damals, als Gymnasiastin aus bürgerlichem Elternhaus, habe sie den Milchkrieg der Bielerinnen «einfach nicht mitbekommen». In der Stadt schlossen sich die Fabrikarbeiterinnen und bürgerlichen Hausfrauen 1930/31 zusammen und wehrten sich gemeinsam gegen den Verband der Milchhändler. Dieser wollte die Milch nicht mehr in die Haushalte liefern. Die Frauen, anfänglich belächelt, setzten sich durch gegen Kartell und Monopolisierung.
Widerworte, 23.8.1988, Die Boulevardisierung der Presse und der Medien
«Werden Widerworte gehört und zur Kenntnis genommen? Es ist zu hoffen, dass die zwei Vorsilben den armen Wörtern den Stachel wiedergeben.» – Deutlich urteilt Laure Wyss über die Boulvardisierung der Schweizer Medien: Wirkungslos seien heute die Wörter, zur «abgerundeten Ware degradiert», der Zeitungsinhalt «mit rosa Zuckerglasur überzogen» und die Ansagen im Fernsehen «von keinem Gedanken getrübt».
Widerworte, 18.9.1990, Rassismus gegen Asylanten in der Schweiz
«Eine Verdrängung ist nicht zuzulassen! Jede verstehen wollende Verschleierung ist niederzureissen!» – Empört greift Laure Wyss die Meldung auf: Ein betrunkener Schweizer, ein Boxer, schlug mit einem Faustschlag einen Hilfskoch aus Sri Lanka auf der Strasse nieder. Es war der sechste Flüchtling, der in der Schweiz aus Rassismus ermordet wurde.
Zeitlupe, 6.7.1991, Nümme wie früecher – Nicht mehr wie früher
«Es ist eine Völkerwanderung von unglaublichen Ausmassen im Gang. […] Aber diese Leute sind nicht freiwillig unterwegs.» – Laure Wyss äussert sich zur globalen Migration und zum Ausländerhass. Die Zeiten seien gewiss anders als früher, aber die Schuld für herumliegende Bierflaschen und verschmierte Hauswände lasse sich nicht auf die Ausländer abschieben.
Regionaljournal, 14.6.1992, Laure Wyss als Sonntagsgast
«Für mich war es ein grosser Feiertag.» – Den 14. Juni 1991, den Tag des Frauenstreiks, verbrachte Laure Wyss in Frankreich. Sie telefonierte ihrem Sohn in Zürich, doch der hatte keine Zeit, er musste seine Kollegin in der Buchhandlung ersetzen. Sie telefonierte ihrem Neffen, doch der stand in der Küche. Sie telefonierte einer Bekannten, doch da kam die Stimme nur ab Band. Da ging sie in die Dorfbar zu Brigitte und die wusste es bereits, die Lokalpresse hatte berichtet: Die Schweizerinnen rebellierten im grossen Stil.
Kolumnen, 21.11.1994, Beziehungen zwischen den Generationen
«Warum schaffsch eigentli so vil? Bisch immer no ehrgizig?» – Mit über 65 Jahren, sagt Laure Wyss, werde einem bei allem und jedem, was man tue, der eigene Jahrgang vorgehalten. Mühsam! Solches sei ihr nur als Kind passiert, damals habe es geheissen: Jetzt bist du schon drei Jahre alt und kannst immer noch nicht anständig essen. Laure Wyss war 81 Jahre alt, als sie diese Radiokolumne über verlogene Bemerkungen schrieb.
Der Kommentar von Laure Wyss zur Dichtung, 5.12.1995
«Woni fertig glachet ha gha über mi, isch mer klar worde, wie mer sini eigene Vorstellige cha manipuliere. Sit dem bini i mine Schilderige vorsichtiger worde.» – Laure Wyss erzählt die Geschichte ihres blauen Sonnenhutes, den sie in einem Restaurant auf einer Reise durch Frankreich liegen liess. Als sie den Verlust bemerkte, schien ihr, sie habe ihren schönsten, ihren besten Sonnenhut verloren. Unbedingt musste er wieder her. Wochen nach der Reise lag in Zürich in ihrem Briefkasten ein schmaler Umschlag. Er enthielt einen billigen blauen Stoffhut. Es war ihr Hut. Ein Kommmentar über die Veränderung von Erinnerung.
Der Kommentar von Laure Wyss zur Emanzipation, 5.11.1996
«Aber was machen wir mit den verwöhnten, geschonten, jammernden Frauen? Ich bin ratlos.» – Laure Wyss kommentiert den Stand der Emanzipation. Viel sei erreicht und Anstrengung weiterhin nötig. Bitte kein Gejammer! Laure Wyss hatte erlebt, wie es war, als die Frauen in der Schweiz noch kein politisches Stimm- und Wahlrecht hatten und der Ehemann entschied, ob seine Frau berufstätig sein und über ein eigenes Bankkonto verfügen dürfe . Heute beobachte sie, sagt Laure Wyss, wie sich der eine und andere Mann um Kinder und Haushalt kümmere.
Der Kommentar von Laure Wyss zum Verhalten der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs, 8.4.1997
«Wir Alten, die dabei waren, müssen schon Auskunft geben», sagt Laure Wyss. «Es ist nicht immer angenehm zu konstantieren, dass es an Zivilcourage mangelte.» Wer jetzt öffentlich über das Verhalten der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs nachdenke, müsse auch darüber nachdenken, wie die Schweiz heute die Flüchtlinge behandle.
Radiobeiträge © SRF, mit freundlicher Genehmigung